Die Villa Orotava wurde 1871 zunächst eingeschossig mit Kniestock und gewölbtem Keller erbaut. 1882 kaufte Miss Elizabeth Hallam aus Tiverton das Haus und ließ darauf einen zweiten Stock errichten. Das nun entstandene repräsentative Gebäude erhielt damit sein heutiges Aussehen, das durch strukturierende Elemente wie toskanische Pilaster über einem lisenengerahmten Erdgeschoss, sowie Zahnleiste und Verdachungen über den Fenstern an eine italienische Villa Im Palazzo Stil erinnert.
Villa Orotava (Foto: Leitz)
Der Zugang erfolgte direkt durch den Vorgarten über eine großzügige Freitreppe, die 1958 leider der Straßenverbreiterung zum Opfer fiel. Das stattliche Gebäude wurde von Miss Hallam stolz „Villa Viktoria“ genannt. Erst einige Jahre später taucht im Handschuhsheimer Adressbuch unter dem damaligen Besitzer Julius Benkendorff der Name Villa Orotava auf, nach dem gleichnamigen Ort La Orotava auf der Kanareninsel Teneriffa. Julius Benkendorff baute im Garten noch einen aufwendigen, massiv gemauerten Geflügelstall, der später zum Gästehaus umgebaut wurde und sich heute großer Beliebtheit erfreut.
Endstation der Straßenbahn an der Kreuzung H`landstr./ Kapellenweg, vor Villa Orotava
(das dritte Haus auf der rechten Seite). Links im Bild das Kreuz, an der Stelle der ehemaligen Kapelle. (Foto: Tiefburgarchiv)
Die Villen in der Handschuhsheimer Landstraße lagen damals an der Hauptstraße von Heidelberg nach Handschuhsheim. Bis zum Jahre 1912 war hier ein paar Meter weiter die Endstation der Straßenbahn, eine günstige Lage für Ausflüge in die Stadt.
1902 wohnte in diesem Haus der russische Komponist Nikolaj Rimskij Korsakov und traf hier den jungen Igor Stravinskij. Dieses Treffen war für die musikalische Entwicklung Stravinskijs von großer Bedeutung.
Nach mehreren Besitzerwechseln erwarb 1930 die katholische Kirchenschaffnei das Gebäude. Es diente nun bis zum Jahre 1955 als Wohnstatt für die katholischen Schwestern von Handschuhsheim. Eine Art Kreuzgang im Garten und eine Mariengrotte halten die Erinnerung an diese Zeit wach.
1994 wurde Im Zuge von umfangreichen Sanierungsarbeiten hinter dem Haus ein 20 Meter tiefer Brunnen freigelegt, der bis heute Wasser führt. Dieser Brunnen ist in Handschuhsheim der Einzige noch erhaltene seiner Art. Die Villen in der Handschuhsheimer Landstrasse aus dieser Zeit besaßen alle solche Brunnen zur Selbstversorgung. Nach der Eingemeindung wurde Handschuhsheim an das Wasser- und Kanalnetz angeschlossen. Damit wurden diese Brunnen überflüssig und im Laufe der Jahre bis auf diesen zugeschüttet.
Bauskizze Westfassade vom 1.9.1889
Bauskizze Geflügelstall